Modellseile recken |
Wenn Wanten, Stage und andere Teile des stehenden Gutes am Modell unter Spannung angebracht werden, kann es passieren, dass diese Spannung mit der Zeit nachlässt und die Taue dann durchhängen.
Dem entgegenzuwirken, könnten Taue einige Zeit vor der Verarbeitung mit einem Gewicht beschwert und aufgehängt werden. Wie Recherchen ergaben, wurde das vorherigen Recken auch im Original genutzt. Dem Zitat folgend "bis die Seele brach", wurde hier wohl recht heftig gestreckt.
Das könnte durchaus auch für Teile des laufenden Gutes angewendet werden, wenn dieses später unter permanenter Spannung gehalten werden sollen, wie z.B. Fallen, Racks, Läufer, Kardeele, Takel und Strecktaljen.
In diversen Fachforen für historischen Modellbau wird das Recken immer mal wieder empfohlen, deshalb habe ich auch für das Modell der Berlin das komplette stehende Gut schon in einer recht frühen Bauphase komplett hergestellt und etwas mehr als ein Jahr mit jeweils 250 g Bleischrot aufgehängt.
Zum Zeitpunkt des Auftakelns hatte ich allerdings zum Herstellen meiner Seile den Anbieter für die Garne gewechselt und so kamen die gereckten Taue dann leider nicht zum Einsatz.
Wie man auf dem Bild eines in den 1980ern gebauten Modells gut erkennen kann, hängen die Wanten nach ein paar Jahrzehnten durch.
Aus der damaligen Unkenntnis zur Thematik des Seilschlagens, wurden seinerzeit bei diesem Modell einfache Baumwollfäden aus einem "Schnurladen" mit der Bohrmaschine verdrillt und mit Wachs behandelt, um ein Auseinanderdrehen des Seil zu verhindern.
Selbst bei moderater Belastung kann man das Reck eines Modellseils schon recht gut beobachten und feststellen, dass Baumwolle weit weniger dehnbar ist, als z.B. Polyester.
Deshalb bleibt die Frage, ob die Art des Materials und die Herstellung des Seils auch ursächlich dazu beigetragen haben, dass über die Zeit keine Straffung mehr vorhanden ist.
Muss ich jetzt wieder damit rechnen, dass die Wanten schlaff am Mast baumeln? Aus rein physikalischen Gesichtspunkten bestünde die Möglichkeit, dass ein Kunststoffgarn gegenüber einem Naturprodukt wie Baumwolle auf Grund seiner besseren Flexibilität die Spannung für einen langen Zeitraum beibehält.
Vielleicht hilft das, um beim Auftakeln mit einer gewissen Vorspannung eine Art "Zugfeder"-Effekt zu erreichen. Die Zeit wird es zeigen.
Ein 25 cm langes Modellseil aus 0,4-mm-Polyestergarn verlängert sich unter Belastung um etwa 8%.
Eine vergleichbares Modellseil aus Baumwolle ist unter Belastung nur etwa 4% länger.