stehendes Gut an den Marsstengen der Fregatte Berlin |
Die Ausführungen zur Takelung der Marsstengen fällt kürzer als die der Untermasten aus, da sie etwas einfacher ist und die Umsetzung diverser Details dort schon dokumentiert ist.
Stengewanten
Mit dem Auftakeln der Marsstengen beginne ich jeweils mit der Vorbereitung der Stengewanten und den Wantjuffern. Fock- und Großmarsstenge erhalten jeweils drei Wanten pro Seite, der Besanmast nur zwei. Durch die ungerade Anzahl der beiden vorderen Masten wird die zweite Part der hinteren Want gleich als Pardune genutzt. Der Besanmast erhält ein separates Tau mit Auge für beide Pardunen.
Es konnten keine Informationen darüber gefunden werden, ob auch die vordersten Stengewanten wie an den Untermasten komplett bekleidet wurden. Da die Bekleidung jedoch ein Schutz gegen das Schamfilen des Segel am Wanttau darstellt, werde ich ebenso wie an den Unterwanten verfahren. Später habe ich jedoch eine Information gefunden, dass Mars- und Bramsegel durch die untere Rah beim Anbrassen immer noch weit vor den Wanten stehen, sodass das Bekleiden nicht notwendig wäre.
Wantjuffern
Durch die relativ große Spreizung der Wanten an den Untermasten ist dort die Länge beim ersten Juffernpaar kürzer als beim letzten. Bei den wenigen eng zusammenstehenden Juffernpaaren auf den Marsen sind die Längenunterschiede vernachlässigbar und ich bin beim Einbinden der Juffern einen anderen Weg gegangen.
Hierfür habe ich mir eine Art Abstandsleiste angefertigt, mit der die Juffern mit immer gleichem Abstand zu den Bramsaligen gesetzt werden konnten. In das kleine Sperrholzbrettchen habe zwei Stahlstifte eingeklebt und Markierungen für die Bändsel aufgezeichnet.
Die unteren Marsjuffern werden in kurze flache Püttingseisen eingefasst, für die ich brünierte Messingätzteile nutze.
Nach dem Steifsetzen der Taljereeps hat sich die Art des Einbindens der Wantjuffern bewährt und es konnten sehr gleichmäßige Abstände der Juffern zueinander realisiert werden.
Püttingswanten
Die Püttingswanten halten im Original die Stengewanten an den Unterwanten sowie die Marsplattformen nach unten fest.
In verschiedenen Quellen werden die Taue teilweise oder komplett bekleidet gezeigt, eindeutig konnte es jedoch nicht recherchiert werden. Ich habe deshalb nur das Auge mit dünnem 200er Garn bekleidet.
Da die Marsplattform am Modell auf den Salingen verklebt ist und um zu vermeiden, dass die Unterwanten durch den Zug beim Steifsetzen der Stengewanten möglichst wenig verformt werden, ziehe ich die Marsjuffern nach dem Einhaken der Püttingswanten soweit nach oben, bis die Haken an der Unterseite blockieren.
Pardunen
Die Taljen der Pardunen werden nicht wie im Bauplan gezeichnet realisiert, sondern nach MS und AN modifiziert mit zwei Violinblöcken ausgeführt.
Diese Violinblöcke gibt es so nicht zu kaufen, jedoch sollen sie zu den von mir verwendeten handelsüblichen "Schleiftrommelblöcken" passen.
Hierbei handelt es sich eigentlich um ein Doppelblock, jedoch mit hintereinander gelagerten Scheiben unterschiedlicher Größe.
Dazu habe ich einfach zwei unterschiedlich große Einzelblöcke an der Stirnseite angebohrt, mit einem kleinen Holzdübel zusammengesetzt und verklebt, sodass ich die typische Form erhalte.
Den Stropp lege ich längst über die komplett Länge der Violine, verknote das Seil mit einem Törn in der Mitte zwischen den beiden Blöcken und fixiere den Knoten mit etwas Sekundenkleber.
So stroppe ich den unteren Block der Talje mit einem Haken und den oberen Bock mit einem Auge, durch das das Ende der Pardune gesteckt und mit zwei Bändsel gesichert wird.
Der Läufer wird mit einigen Törns unten am Haken der Talje belegt, der Tauüberschuss in Buchten aufgeschossen und hinter der Talje abgelegt.
Stengestage
Die Stage aller drei Marsstengen wurden mit Kabelschlag links geschlagen und erhalten genau wie die Stage der Untermasten ein bekleidetes Auge mit einer Stagmaus. Auch wenn diese im BP nicht eingezeichnet sind, wird diese Modifikation in MS, AN und weiteren Quellen bestätigt.
Das Vormarsstengestag ist mit einer recht komplexen Talje festgesetzt, dessen Läufer am Ende des Bugspriets an einer Klampe belegt wird.
Die Talje selber ist eine Modifikation und entspricht nach MS und AN der üblichen Form auf niederländischen Schiffen um 1670.
Nach dem Steifsetzen des Stages wurden noch die Leitblöcke für die Vormarsbulins und Oberblindebrassen angeschlagen.
Auch das Großstengestag ist mit Auge und Maus über den Stengetopp gelegt und läuft von den Bramsalingen über einen Leitblock hinten am Fockstagauge durch einen Spalt hinter der achteren Quersaling der Fockmars an Deck und ist mit einer Talje auf dem Backdeck hinter dem Fockmast festgesetzt.
Nach einem letzten Check der Ausrichtung der Stenge zum Fockmast, wurde das stehende Gut komplett steifgesetzt.
Zum Abschluss noch die Leitblöcke für die Fockmarsbrassen über den Leitblöcken der Großmarsbulins auf das Stag gebunden.
Die Maus am Besanmarsstengestag hat einen Durchmesser von gerade mal 2,5 mm und wurde mit sehr dünnem 200er Garn genauso geflochten wie alle anderen Mäuse auch.
Wie das Stag gesetzt wird, dafür werden in den Quellen mehrere Möglichkeiten angegeben.
Die im BP gezeigte Variante, die beiderseits mit einem Hahnepot an den hinteren Großwanten festgesetzt wird, wäre für die Zeit nach 1660 veraltet.
MF und MS geben Juffern oder Blöcke an, die in der Großmars festgesetzt werden. AN 120 dagegen empfiehlt das Stag über einen Leitblock hinten am Großstagauge zu einer Talje an Deck laufen zu lassen, sodass ich mich entschieden habe, als Modifikation die gleiche Ausführung wie beim Großstengestag zu realisieren.
Webeleinen
Nur die Wanten der Mars- und Besanstenge erhalten Webeleinen, die Bramstengen nicht.
Zum Verknoten der Webeleinen habe ich mir, wie schon bei den Untermasten, wieder eine Schablone zum Setzen der Knoten ausgedruckt und in Folie laminiert, sowie die etwas steifen Taue der Webeleinen geschmeidig getempert.
Dann wurden die Wanten der Vormarsstenge und die Püttingswanten ausgewebt...
... ebenso an der Großmarsstenge.
BP sieht an der Besanmarsstenge keine Webeleinen vor, MS geht darauf nicht weiter ein, AN S. 126 jedoch weist darauf hin, dass bei niederländischen Schiffe diese immer ausgewebt waren.
Auch sind an zeitgenössischen Modellen und auf Bilddarstellungen überwiegend Webeleinen zu sehen, sodass ich diese Modifikation übernommen habe.
Das stehende Gut an den Marsstengen ist fertiggestellt. Mit insgesamt 776 Knoten sind alle notwendigen Webeleinen gebunden.
weiter geht es mit dem Sprietmast...